Wie funktioniert GSM-R?

Wie funktioniert GSM-R?

Wie funktioniert GSM-R im Bahnbetrieb?

GSM-R (Global System for Mobile Communications – Railway) ist ein spezielles, digitalisiertes Funkkommunikationssystem, das auf dem zivilen GSM-Standard basiert, jedoch speziell für die Anforderungen im Bahnbereich entwickelt wurde. Es bildet einen zentralen Bestandteil des europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS) und unterstützt sichere, zuverlässige und standardisierte Sprach- sowie Datenkommunikation zwischen Zug und Strecke.

Im Unterschied zum herkömmlichen GSM ist GSM-R für besonders hohe Sicherheitsanforderungen, Interoperabilität über Ländergrenzen hinweg sowie spezielle Funktionen im Eisenbahnbetrieb ausgelegt. Es ersetzt ältere analoge Bahnfunklösungen wie Zugfunk analog oder Zugfunk 70.

Technologische Basis von GSM-R

GSM-R verwendet wie das kommerzielle GSM das Frequenzduplexverfahren (FDD) im Bereich 876–880 MHz (Uplink) und 921–925 MHz (Downlink). Es nutzt TDMA (Time Division Multiple Access) mit acht Zeitschlitzen pro Trägerfrequenz, wobei bestimmte Zeitschlitze exklusiv für sicherheitsrelevante Kommunikation reserviert sind.

Die Netzstruktur umfasst folgende zentrale Komponenten:

  • Base Transceiver Stations (BTS): Funkstationen entlang der Bahnstrecke, die die Kommunikation mit Zügen ermöglichen.
  • Base Station Controller (BSC): Kontrolliert mehrere BTS und verwaltet Frequenz- und Handover-Prozesse.
  • Mobile Switching Center (MSC): Vermittlungsstelle für Sprach- und Datenverbindungen zwischen Zug und Betriebsleitzentrale.
  • Operation & Maintenance Center (OMC): Dient zur Überwachung und Steuerung des GSM-R-Netzwerks.

Die Mobilgeräte in Zügen, sogenannte Cab Radios, sind speziell für Bahnanwendungen entwickelt. Sie unterstützen Funktionen wie GSM-R-spezifische Rufnummernkonventionen, Priorisierung von Notrufen oder Gruppenrufe für Lokführer und Fahrdienstleiter.

Wichtige Funktionen von GSM-R

GSM-R bietet über die herkömmliche Sprachübertragung hinaus verschiedene erweiterte Funktionen, die für den Bahnbetrieb essenziell sind:

Funktion Beschreibung
Group Call Gleichzeitige Kommunikation mit mehreren Teilnehmern (z. B. Lokführer, Fahrdienstleiter).
Functional Numbering Teilnehmer werden nicht über Rufnummern, sondern über Rollen (z. B. „Fdl München Hbf“) adressiert.
Emergency Call (eMLPP) Notrufe mit Vorrangschaltung, auch bei Netzüberlastung mit höchster Priorität durchsetzbar.
Location Dependent Addressing (LDA) Rufumleitung abhängig vom aktuellen Standort, z. B. bei Streckenwechsel.
Shunting Mode Spezielle Kommunikation im Rangierbetrieb zwischen Triebfahrzeugführer und Rangierpersonal.

Diese Funktionen sind integraler Bestandteil sicherheitskritischer Bahnprozesse wie Zugsteuerung, Fahrwegfreigabe und Notfallmanagement.

Zusammenhang mit ERTMS und ETCS

GSM-R ist ein Kommunikationsmodul innerhalb des ERTMS (European Rail Traffic Management System). Es überträgt Signale und Fahrinformationen für das ETCS (European Train Control System), das standardisierte europäische Zugsicherungssystem. Besonders in Level 2 und 3 des ETCS ist eine permanente Funkverbindung zwischen Zug und Streckenzentrale erforderlich – eine Aufgabe, die ausschließlich GSM-R übernimmt.

Somit wird GSM-R zu einem sicherheitsrelevanten Übertragungsmedium für Zugsteuerung, Geschwindigkeitsprofile, Streckenfreigabe und Fahrdynamikdaten. Die Datenkommunikation erfolgt paketorientiert über GPRS oder via dedizierte Kanäle.

Vorteile und Herausforderungen von GSM-R

Vorteile:

  • Standardisierte, interoperable Kommunikation europaweit.
  • Hohe Sprachqualität und Datenverfügbarkeit im gesamten Streckennetz.
  • Priorisierung sicherheitskritischer Kommunikation.
  • Einbindung in moderne Verkehrsleitsysteme wie ETCS.

Herausforderungen:

  • Geringe Datenrate im Vergleich zu modernen Mobilfunkstandards (max. 9,6 kbps bis GPRS).
  • Frequenzknappheit bei wachsendem Bahnverkehr.
  • Alternde Infrastruktur – Migration zu FRMCS (Future Railway Mobile Communication System) geplant.

Was ist der Unterschied zwischen GSM und GSM-R?

Während GSM ein universeller Mobilfunkstandard für den Massenmarkt ist, wurde GSM-R speziell auf die Bedürfnisse des Eisenbahnwesens zugeschnitten. Die Hauptunterschiede sind:

  • Spezialisierte Dienste wie Gruppenrufe und Prioritätsmanagement.
  • Reservierte Frequenzbänder ausschließlich für den Bahnverkehr.
  • Höhere Anforderungen an Ausfallsicherheit und Abdeckung entlang der Gleise.

Zukunft von GSM-R: Übergang zu FRMCS

Da GSM-R technologisch veraltet ist, bereitet die Bahnbranche europaweit den Übergang zum FRMCS (Future Railway Mobile Communication System) vor. Dieses basiert auf 5G-Technologie, bietet höhere Bandbreiten, niedrigere Latenzen und bessere Skalierbarkeit für künftige Anwendungen wie autonomes Fahren, Condition Monitoring und Echtzeit-Diagnose.

FRMCS wird GSM-R langfristig ablösen, jedoch bleibt GSM-R bis zur vollständigen Einführung von FRMCS das Rückgrat der sicherheitsrelevanten Zugkommunikation in Europa.

Zusammenfassend ist GSM-R eine hochspezialisierte Mobilfunklösung für den Bahnbetrieb, die Sprach- und Datenkommunikation zuverlässig, sicher und standardisiert über Landesgrenzen hinweg ermöglicht.